Ob zu dicht aufgefahren, kurzeitig das Smartphone hinter dem Steuer benutzt oder mit zu hoher Geschwindigkeit im Straßenverkehr unterwegs – im Durchschnitt ereignen sich auf Deutschlands Straßen fast 1000 Verkehrsunfälle am Tag.
Für unverschuldete Unfallopfer ist der Ärger doppelt so groß. Das Geschehen erfordert nun einen klaren Kopf und die richtige Vorgehensweise, um keine finanziellen Nachteile einzubüßen. Doch die Mehrheit der Unfallgeschädigten weiß nicht, wie sie sich korrekt zu verhalten haben, geschweige denn, welche Rechte den unverschuldeten Unfallopfern zustehen.
Das richtige Verhalten an der Unfallstelle
Nachdem die Unfallstelle gesichert wurde, Polizei und Notarzt alarmiert wurden und Verletzte erstversorgt sind, ist die Beweissicherung ausschlaggebend. Der Unfallgegner bzw. dessen Versicherungsträger ist verpflichtet, für den entstandenen Schaden aufzukommen. Beide haben Interesse an einer möglichst kostengünstigen Abwicklung und werden deshalb nichts unversucht lassen. Um sämtliche Beweise zu sichern, empfiehlt es sich,
- nach Zeugen Ausschau zu halten,
- Lichtbilder von der Unfallstelle und den Schäden zu knipsen (selbstverständlich aus mehreren Perspektiven),
- Personalien des Unfallgegners ausfindig zu machen (besonders das Kennzeichen nicht vergessen) und
- die Polizei zu rufen (bei Personenschäden ist dies absolute Pflicht, aber auch bei Sachschäden ist es sinnvoll).
Je sorgfältiger die Beweissicherung, desto vorteilhafter verläuft die Schadensregulierung.
Die richtige Schadensabwicklung
Unverschuldete Unfallbeteiligte holen sich am besten Unterstützung von einem Anwalt, der für die Geschädigten kostenfrei ist, ansonsten kürzen Versicherer oftmals die Erstattung, indem sie den Wert des beschädigten Fahrzeugs zu niedrig ansetzen. Ein Fach-Jurist hingegen weiß, welche Ansprüche der Geschädigte hat und kennt sich ebenfalls mit den Tricks der Versicherer und der Reparatur in der Marken-Werkstatt aus. Als unverschuldete Unfallpartei sind die Anwaltskosten zu 100% vom Unfallverursacher zu tragen! Erst im Falle einer Haftungsquote wegen Mitschuld werden auch Unfallgeschädigte an den Anwaltskosten beteiligt. Diese Kosten lassen sich unter Umständen aber von der Rechtsschutzversicherung abdecken. Das Hinzuziehen eines Anwalts wird dringend geraten.
Das Gutachten bei einem Unfall
Insbesondere wenn der Unfall unverschuldet und der Schaden kein Bagatellschaden mehr ist, so steht dem Beteiligten zu, durch ein Gutachten die exakte Schadenshöhe bestimmen zu lassen. Dabei werden durch den KFZ-Sachverständigen auch der Wertverlust des Fahrzeugs, bei Totalschaden ein Restwert und die Reparaturzeit bestimmt. Diese ist z.B. wichtig, wenn man einen Ersatzwagen oder statt eines Ersatzwagens lieber direkt eine Nutzungsausfallentschädigung ausgezahlt bekommen möchte.
Bei einem 100% unverschuldeten Unfall muss der Unfallgegner, bzw. dessen Versicherung, das Gutachten zahlen.
Tipp: Immer wieder versuchen Versicherungen, dem Unfallbeteiligten einen eigenen Gutachter anzubieten. Auf dieses Angebot muss man sicher allerdings nicht einlassen, es besteht grundsätzlich freie Gutachterwahl.
Unfallwagen lassen sich um Restwert manchmal schwer verkaufen. Insbesondere Unfallwagen-Aufkäufer zahlen ungern den Restwert. Bieten Sie über Ihren Anwalt der Versicherung den Wagen an, denn häufig zahlen diese zumindest den Restwert. Gegen einen zu hohen Restwert, den Ihnen niemand zahlt, können Sie übrigens vorgehen.
Die Schuldfrage
Ob unschuldig oder mitschuldig, hängt von vielen Umständen ab. Auf Parkplätzen zum Beispiel liegt die Haftungsquote bei 50:50. Wer bei Schnee oder Eis ohne Winterreifen fährt, wird einen Großteil der Schuld bekommen.
Nur ein vollständiges Unverschulden führt dazu, dass der Verursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung zu 100 % für den entstandenen Schaden aufkommen mus, so § 249 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Dieser Paragraf besagt, dass der Verursacher umfassenden Schadenersatz zu leisten hat. Bei unklarer Schuldfrage konkretisiert die Haftungsquote, zu wie viel Prozent der Schadensersatz erfolgt.
Bei strittigen Verkehrsunfällen kann ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger für Klarheit sorgen und bei der Klärung der Schuldfrage eine wichtige Rolle spielen. Dabei beziffert er den Schaden im eigens erstellten Gutachten aussagekräftig und bis ins Detail. Außerdem kann das Gutachten vor Gericht entscheidende Beweise für die Festlegung der Haftungsquote infolge der Schuldfrage liefern.
Die Haftungsquote
Eine Haftungsquote wird anhand einer Einzelfallprüfung unter Abwägung aller relevanten Faktoren bestimmt. Dies erfolgt letzten Endes vor Gericht durch einen Richter. Für die Herleitung dieser spielen die Verschuldenshaftung und die Betriebsgefahr eine zentrale Rolle. Die Verschuldenshaftung sieht vor, dass der Unfallverursacher Verantwortung zu tragen hat bzw. Schadensersatz leisten muss. Die Umstände sind bei einem Unfall individuell zu würdigen. Bei der Betriebsgefahr nach § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz) ist von der Grundhaftung des Unfallverursachers erst abzusehen, wenn der Unfall unabwendbar ist. Unabwendbar ist ein Unfall dann, bedeutet, wenn er auch durch einen ‚Idealfahrer‘ nicht zu verhindern gewesen wäre. Falls es sich beim Unfallgegner um einen Fußgänger oder Fahrradfahrer handelt, so ist niemals von einem unabwendbaren Ereignis auszugehen. Die Verschuldenshaftung greift auch im Falle von höherer Gewalt nicht. Ob es sich um höhere Gewalt handelt, muss für den betreffenden Fall konkretisiert werden. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.
Haftungsquoten für Unfallarten
Bei einem Auffahrunfall darf man nicht automatisch von einer 100%-igen Haftungsquote des Verursachers ausgehen. Bei starkem Abbremsen wegen eines Kleintiers beispielsweise kam laut dem Oberlandesgericht München eine Haftungsquote von 75:25 in Betracht. Bedeutet: Bremst der Vordermann stark ohne jeden Grund, so könnte ihm die (gesamte) Hauptschuld zugewiesen werden. Diese Fälle sind im Einzelfall zu prüfen.
Auch bei Unfällen mit Fußgängern oder Radfahrern kommt es auf den Einzelfall an. 1999 erklärte ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln eine Haftungsquote von 50:50, als ein Radfahrer verbotswidrig auf dem linken Radweg mit einem PKW kollidierte, welcher eigentlich wartepflichtig war.
Auch bei Unfällen beim rückwärts Ausparken ist Vorsicht geboten: das Oberlandesgericht Karlsruhe kam zu einer Haftungsquote von 50:50 für einen Unfall, für einen Unfall, bei dem ein Rückwärtsfahrender mit einem wartepflichtigen PKW kollidierte.
Zusammenfassend sind vor allem die Beweissicherung und Dokumentation vor Ort für die Klärung der Schuldfrage essenziell. Auch vor der Beteiligung eines Anwalts sollte man sich nicht scheuen. Ebenso das Hinzuziehen eines unabhängigen Gutachters, welcher vor Gericht die entscheidenden Hinweise zur Klärung der Schuldfrage liefern kann.